Trinkmenge von 2 Litern ist Unsinn

„Man kann die Erkenntnisse der Medizin auf eine knappe Formel bringen: Wasser, mäßig genossen, ist unschädlich.“

Dieses Zitat von Mark Twain hat nach wie vor Gültigkeit. Die Betonung liegt auf „mäßig“! Denn eine generelle Trinkmengenempfehlung ist obsolet. Immer wieder wird propagiert: „Höre auf deinen Körper“. Warum soll das beim Durst nicht auch so sein? Stattdessen wird uns eingetrichtert, mindestens 2 Liter Wasser täglich zu trinken. Dies ist geschicktes Marketing der Mineralwasserkonzerne. Es stimmt einfach nicht! Und wer bei körperlicher Anstrengung über 3 Stunden mehr als 3 Liter Wasser trinkt, kann sogar in Gefahr geraten in eine Hyponatriämie zu rutschen. Dies zeigte eine Untersuchung an 766 Teilnehmern beim Boston-Marathon.

Die Internisten Prof. Dr. Stahl und Dr. Stahmer von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf fassen die Fakten zum Flüssigkeitshaushalt wie folgt zusammen: Durch die Notwendigkeit des Körpers, täglich mindestens 800 Milliosmol gelöste Substanzen auszuscheiden (Natrium, Kalium, Harnstoff) sind mindestens 670 ml Harn notwendig. Über die Haut gehen 500ml Flüssigkeit verloren, über die Atemluft 400ml, über die Faeces 200ml. Aus der Nahrung werden ca. 850 ml Wasser aufgenommen. Durch Oxidation von Nahrungsbestandteilen entstehen noch einmal 350 ml. Daraus ergibt sich eine Aufnahme von 1200 ml und ein Verlust von 1770 ml. Daraus errechnet sich eine Differenz von 570 ml, die der Gesunde täglich trinken muss um den Fllüssigkeitshaushalt im Gleichgewicht zu halten.

Selbst bei eingeschränkter Nierenfunktion mit einer max. Konzentrationsfähigkeit von 600 mosm/kg würden nach dieser Rechnung immer noch 1140 ml reichen. Das liegt deutlich unter der generellen Trinkmengenempfehlung von 1,5 bis 2 Liter pro Tag. Auch die Annahme, eine hohe Trinkmenge würde bei chronischer Niereninsuffizienz das Organ schützen, halten die Kollegen für einen Mythos. Nur bei akutem prärenalem Nierenversagen kann ein erhöhtes Plasmavolumen die renale Perfusion tatsächlich erhöhen. Logisch! Ansonsten gibt es keinen Nachweis dafür, dass vermehrte Flüssigkeitsaufnahme die glomeruläre Filtrationsrate erhöht.

Eine echte Indikation für eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme nennen die Nephrologen: Fieber, starkes Schwitzen, Verbrennungen, Tachypnoe und hohe gastrointestinale Verluste (Durchfallerkrankungen).

Grundsätzlich ist aber das körpereigene Durst-Regelsystem in der Lage, den Wasser- und Elektrolythaushalt in engen Grenzen zu regulieren. Dies widerspricht der Annahme, wonach man trinken sollte bevor der Durst kommt. Nur bei älteren Menschen, die ein vermindertes Durstgefühl entwickeln, ist eine kontrollierte Trinkmenge von Relevanz.

Der Expertenrat lautet also: „Machen Sie es wie jedes andere Säugetier: Trinken Sie, wenn Sie durstig sind!“

Quelle: Björn Stahmer, Rolf A. K. Stahl, internist praxis 2012; 52:501-507