Weiterhin Masern-Gefahr!
Während des Masernausbruchs in Berlin von Oktober 2014 bis August 2015 erkrankten über 1350 Menschen, ein Kind starb an den Komplikationen. „Die Masern sind dabei oft schwer verlaufen“, betonen Ärzte um Professor Horst Bernutz vom Otto-Heubner-Centrum für Kinder- und Jugendmedizin der Charité
Jeder vierte Erkrankte musste daher stationär behandelt werden.
In Berlin waren die meisten Erkrankten 18 bis 44 Jahre alt.
„Bei Kindern im Kita-Eintrittsalter erfolgen Impfungen noch immer zu spät und nicht, wie von der STIKO empfohlen, bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres“, betonen die Berliner Ärzte.
Säuglinge haben dabei ein besonders hohes Risiko für Masernkomplikationen, „sie sind daher auf einen Schutzkokon aus geimpften Personen in ihrer unmittelbaren Umgebung angewiesen.“
Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) ist „kein schöner Anblick“, so der Neurologe Professor Erich Schmutzhard von der Uniklinik in Innsbruck. Masernviren erobern dabei sieben bis zehn Jahre nach der Erkrankung langsam das Gehirn und zerstören es.
Immer mehr neurologische Funktionen fallen aus, es kommt zu schweren Muskelkrämpfen, Lähmungen und epileptischen Anfällen, zu psychischen Störungen und Demenz, schließlich zu Dezerebration und Tod, der das Leiden nach ein bis drei Jahren beendet.
Es gibt keine wirksame Therapie, die Überlebenschancen gehen gegen Null. Doch eigentlich dürfte es diese grausame Krankheit längst nicht mehr geben: So hat man früher eine Häufung von etwa fünf SSPE-Fällen auf eine Million Masernerkrankungen angenommen.
So viele Masernkranke gibt es in Europa aber längst nicht mehr, dennoch sterben immer wieder Kinder und junge Erwachsene an dieser Enzephalitis. Besonders auffällig sind SSPE-Wellen nach Masernausbrüchen. 1996 erkrankten in Deutschland knapp 45.000 Personen an Masern, sagte Schmutzhard auf dem europäischen Neurologenkongress in Berlin.
Neun Jahre nach dem Ausbruch wurden in Deutschland plötzlich elf SSPE-Fälle registriert, im Schnitt sind es sonst nur zwei bis vier pro Jahr. Solche Daten deuten eher auf ein Erkrankungsrisiko von etwa 1:2000.
Dieses, so der Neurologe, hänge jedoch stark vom Alter während der Erkrankung ab. Bei Babys unter sechs Monaten sei von einem Risiko von 1:500 auszugehen, manche Experten sehen die SSPE-Gefahr sogar eher in der Nähe von 1:100.
Bezogen auf den aktuellen Berliner Ausbruch heißt das: Ein oder mehrere Berliner Kinder werden vermutlich in einigen Jahren an SSPE erkranken und sterben.
In einem Kommentar der Ärztezeitung thematisiert Dr. med. Hans-J. Schrörs vom Deutschen Zentrum für Impfmedizin die Impfproblematik der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge und sieht den nächsten Ausbruch in einem der Massenunterkünfte als vorprogrammiert. Dann trifft es auch wieder die allgemeine Bevölkerung, da die notwendige Herdenimmunität immer noch lückenhaft ist.
Um die großen Impflücken bei Jugendlichen und Erwachsenen zu schliessen, gibt es bisher keine Strategie in Deutschland.
Daher der Rat: Bei allen Arztkontakten den Masernschutz abklären und gegebenenfalls impfen.
Quelle: Ärzte-Zeitung vom 02.12.2015